Die Schwäbische Zeitung brachte unseren Bericht zur Veranstaltung „Erfolgsstory Erneuerbare Energie – Jetzt kommt die Energie- und Mobilitätswende“ am 14. Juni 2016 im Aulendorfer Schloss:
Hier die ausführliche Fassung der Veranstaltung:
Machbarkeit der Energie- und Mobilitätswende
Gut besuchte Veranstaltung der BUND-Ortsgruppe Aulendorf zeigte Möglichkeiten der Energiewende auf
Die BUND-Ortsgruppe Aulendorf wird in diesem Jahr 30 Jahre alt und zu diesem Anlass lud sie am 14.06.2016 zur Veranstaltung: „Erfolgsstory Erneuerbare Energie – Jetzt kommt die Energie- und Mobilitätswende“. Im vollbesetzten Marmorsaal des Aulendorfer Schlosses stand die Energiewende im Mittelpunkt. Der Aulendorfer Bürgermeister Matthias Burth gratulierte der BUND-Ortsgruppe und betonte, dass es heutzutage nicht selbstverständlich sei, so lange das Ortgeschehen mitzubestimmen. Er hob das Geleistete hervor: den Aufbau des Sozialladens, den Amphibienschutz, das Storchenprojekt, die Schussenrenaturierung, den Bau von Energieanlagen, der dazu führte, dass Aulendorf nun auf dem Weg zu einer Ökostadt ist. Seit 2006 beteiligt sich die Kommune an den Europäischen Energie- und Klimaschutzkommunen. Das Energieleitbild ist die nachhaltige Senkung des CO² – Ausstoßes. Bis 2020 sollen der Anteil der regenerativen Stromerzeugung bei mehr als 30 Prozent und der Wärmeerzeugung über 20 Prozent liegen. In Aulendorf wurde der Strom-, Wärme- und Wasserverbrauch gesenkt, was für die Stadt eine Einsparung von 270.000,- Euro bedeutet. Der Hausbau erfolgt jetzt energetisch, für die Straßenbeleuchtung sorgen LED-Lampen und so finden regelmäßig Begehungen statt, um den Verbrauch zu senken. 2018 steht die nächste Zertifizierung an.
„Öko-Energie-Stadt Aulendorf?“ lautete der Vortrag von Bruno Sing, dem Vorsitzenden der BUND-Ortsgruppe Aulendorf. Die Hauptargumentation für eine Gründung dieser Gruppe war, dass Aulendorf ein „grünes Gesicht“ bekommen sollte. Auslöser war damals die Tschernobyl-Katastrophe und so dachten die Gründer und Gründerinnen vor allem an die Verwirklichung des Umwelt- und Naturschutzes und damit an die Weitergabe des Erbes an die nächste Generation.
Die Vision lag in einer Ökostadt Aulendorf. Erschwerend kam damals hinzu, dass die Stadt kein Geld hatte, wie sollte dies also verwirklicht werden können? Gegründet wurde zunächst eine Energieagentur als Genossenschaft. Sing betonte, dass die Ökonomie nur im Zusammenspiel mit Ökologie und Sozialem funktionieren kann. In Aulendorf reaktivierte man zwei Wasserkraftwerke. Ein Vorzeigeprojekt war die Speiseresteverwertung Allgayer, die Biogas, Strom aus Photovoltaik und Rapsöl produzierte. Rapsöl wurde später besteuert, so dass eine Nutzung durch Kraftfahrzeuge uninteressant war. In Sachen Biogas ist die Stadt Aulendorf Pionier. Sie bedeutet die beste Verarbeitung von Jauche, so dass Strom mittels anfallendem Methangas hergestellt werden kann.
1999 entstand die erste Solaranlage, der Solarstadel. Ein Sonnenhaus wurde mit Sonne bewirtschaftet, wobei die überschüssige Sonnenenergie im Sommer gespeichert und im Winter verwendet werden konnte. 13 Bürger haben die Anlage „Bürger-Solar-Kraftwerk mit einer Leistung von 66 KW selbst aufgebaut. Es folgten die Bürger-Energie-Genossenschaft und Bürger-Solar mit 30 KW in Tannhausen. Somit verfügte Aulendorf über 3 Bürgerenergie-Kraftwerke. Bruno Sing erläuterte, dass die Zukunft von Solarenergiegewinnung mit früher undenkbaren nordseitigen Anlagen bzw. Anlagen in Ost- Westausrichtung gehört. Wichtig ist dem BUND auch die Vernetzung in Schulen wie der Schule am Schlosspark. Heute werden die Blockheizkraftwerke immer zahlreicher und in Aulendorf liegt die Stromeinspeisung aus erneuerbarer Energie bereits bei 56 Prozent! An erster Stelle steht Biogas, dann folgt die Photovoltaik. Der Ausstieg aus dem Atomstrom ist machbar und zudem insgesamt billiger – der BUND bietet den Umstieg auf Ökostrom gemeinsam mit EWS Schönau bereits an.
Zukunftsvision ist eine Mobilität, die vernetzt ist und E-Ticket für öffentliche Verkehrsmittel sowie der Möglichkeit ein E-Bike oder ein Elektroauto ausleihen zu können, verbunden ist.
Jeder muss einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, Ziel ist es, in Aulendorf zu 100 Prozent erneuerbare Energie zu produzieren.
Walter Göppel von der Energieagentur Ravensburg stellte in seinem Vortrag „Schaffen wir die Energiewende in der Region und was muss getan werden?“ die Möglichkeiten von Energieeinsparungen von Bauherren vor. Private Haushalte stellen in Aulendorf die Hauptverbraucher von Energie dar. 70 Prozent der Gebäude in Aulendorf sind energetische Altbauten; mit Heizungsanlagen älter als 77 Jahre. Bei der Heizungssanierung müssen gesetzliche Vorgaben beachtet werden, denn 15 Prozent der Energie soll erneuerbar sein. Für die Umwandlung einer Ölheizung benötigt man eine unabhängige Energieberatung, denn nicht überall ist es möglich, eine Holzpelletheizung zu installieren. Göppel stellte Projekte im Landkreis Biberach vor, die als Passivhaus nur 200,- Euro im Jahr Betriebskosten verursacht. Ein Niedrigenergiehaus mit 2084 Quadratmetern und einem Tennisanlagenbetrieb verbraucht 20.000 KW in Pellets und 270.000 KW in Photovoltaik. Die Betriebskosten belaufen sich auf rund 200,- Euro im Jahr. Göppel verwies auf die Zuschüsse und betonte: Wer nichts macht, ist selber schuld. Denn ein Tilgungszuschuss soll einen Anreiz bieten. Mieter und Besitzer erhalten sogar eine spezielle Schulung, um das richtige Energieverhalten zu lernen und zu steuern.
Bene Müller vom Vorstand der solarcomplex AG in Singen stellte in seinem Vortrag „Erneuerbare Energien in Bürgerhand –Eine Erfolgsgeschichte“ die Entwicklung der Energiewende dar. Wie gelingt die Energiewende? Müller hob hervor, dass nur 10 Prozent aller Menschen ausschließlich für ökologische Argumente erreichbar sind – also muss man ökonomisch argumentieren. Dies zog sich konsequent durch den gesamten Vortrag. Die Energiepolitik hat eine lebhafte Geschichte in Deutschland. Trotz Proteste ist beispielsweise Brockdorf gebaut worden. Müller betonte, dass die Energiewende eine kapitale Aufgabe ist. Tüftler und Bastler mit ersten Windrädern haben die industrielle Windradproduktion angestoßen. „Spinner sind wichtig“ – Bene Müller ist ein Freund von diesen Tüftlern. Die Zuhörer erfuhren, dass knapp die Hälfte aller Energieanlagen im Besitz von Bürgern ist. Nur 12 Prozent machen die Institutionen aus und 6 Prozent die bekannten vier Riesen wie RWE, Vattenfall, EnBW und E.on Politisch war die Unterstützung der alten Anlagen gewollt, weil sie rentabler waren als die neuen Energien. So haben vor allem Bürger die Entwicklung der erneuerbaren Energien vorangebracht. Die Politik steuert trotz der Erfolge, die die Bürger mit ihren Anlagen aufweisen, dagegen, denn die vier großen Energieanbieter sollen die Energiewende bezahlen. Müller weist in seinem Vortrag auf den Widerspruch hin, dass es einerseits den großen Anbietern nicht gut geht, sie aber diese wichtige Aufgabe bezahlen sollen.
Seit 2000 geht die Entwicklung der erneuerbaren Energien rasant aufwärts, so dass es heute einen regenerativen Energiemix gibt. Diese Entwicklung ist bürgerfinanziert. Interessant ist die historische Begebenheit, dass einst die vier großen Energieunternehmen behauptet haben, nur 4 Prozent der Energie kann überhaupt jemals erneuerbar sein. Inzwischen liegt diese Quote bei 30 Prozent im Bereich Strom, bei Wärme besteht noch Nachholbedarf. Müller vermutet, dass es Ziel war, die Bürger zu verunsichern. Mittlerweile hat man die erneuerbare Energie künstlich verteuert und nicht über die Börse gehen lassen. Die EEG-Umlage ist zu hoch.
Müller stellte außerdem die Arbeit von solarcomplex vor. Das mittelständische Unternehmen ist regional tätig und man hat die meiste Erfahrung mit regenerativen Wärmenetzen. Im Bereich Photovoltaik ist die Technik um den Faktor 4 günstiger geworden, die Erzeugungskosten liegen bei unter 7 Cent für Solarstrom: für 8,7 Cent wird sie in das Netz eingespeist. Die Photovoltaik hat Zukunft, jedoch ist die Zell- und Modulproduktion in Deutschland verschwunden. Die Installation ist verblieben, da sie ja nicht von China aus gemacht werden kann.
Für Hausbesitzer ist der Eigenverbrauch an Strom entscheidend, denn mit der Einspeisung verdient man heute kein Geld mehr. Bei einer Ost- West-Anlage hat man ein gleichmäßiges Angebot. Müller plädiert ohnehin dafür, eine Photovoltaikanlage nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen zu betreiben, sondern weil es sich gehört! Sobald die Photovoltaik günstiger ist als Öl, setzt sie sich durch.
Er führte Beispiele an, in denen Abwärme aus der Industrie genutzt wird, hier nannte er das Projekt Bonndorf. Der Ort wird sommers wie winters mit der Abwärme eines Industriebetriebs versorgt. Damit werden 2 Millionen Liter Öl ersetzt. Müller wies darauf hin, dass dies auch in anderen Orten möglich ist, denn wir gehen mit Energie noch sehr verschwenderisch um. Man kann in ein Wärmenetz Bioenergie, Solarthermie, Industrielle Abwärme, Geothermie, Brennstoffzellen und Überschüsse aus dem Netzstrom einspeisen. Jede Gemeinde sollte eher ein Wärme- als ein Gasnetz bauen.
Möglich ist es auch, dass auf dem Land die Energie produziert wird, die die Städte verbrauchen. Dies wäre eine Chance für strukturschwache Regionen. Aber zur Zeit hat man eine Deckelung des Ausbaus auf 40-45 Prozent. Man möchte politisch die erneuerbaren Energien sich nicht so schnell entwickeln lassen. So wird mehr Kohle verstromt, wobei es nötig wäre, die erneuerbaren Energien sich weiter so entwickeln zu lassen wie bisher. Andererseits sind viele Häuser gar nicht für die Energiewende geeignet. Hier wären umfassende energetische Maßnahmen nötig. Daher ist die Bürgerenergie in der Defensive, aber nicht tot, so Müller.
Die weiteren Entwicklungen werden zeigen, dass sich die erneuerbaren Energien in Bürgerhand trotz der politischen Hindernisse weiter entwickeln werden, weil sich das Bewusstsein in der Öffentlichkeit wandelt. Besonders die Photovoltaik wird ihren Durchbruch erfahren, weil sie letztlich günstigeren Strom liefert.
Mehr Informationen: http://www.stoerche-aulendorf.de/